CDU-Fraktion der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Rede der Vorsitzenden der CDU-Fraktion der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe

Eva Irrgang
zum
Haushalt 2025/26
gehalten am 17. Dezember 2024

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Baumann,
sehr geehrter Herr Dr. Lunemann,
sehr geehrte Frau Neyer,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

im vergangenen Jahr habe ich meine Haushaltsrede an dieser Stelle eingeleitet mit der Bewertung, dass wir in „aufwühlenden Zeiten“ leben. Damals hatten wir noch eine relativ stabile Bundesregierung, keinen designierten US-Präsident an dessen Integrität und Verlässlichkeit es immer wieder erhebliche Zweifel gibt, der Nahost-Konflikt war relativ kleinräumig auf Gaza begrenzt, die Wirtschaft florierte nicht, aber der Bundeswirtschaftsminister rechnete für das Jahr 2024 wieder mit Wachstum.

Wie muss die Situationsbeschreibung Stand heute aussehen, wenn sie im vergangenen Jahr „aufwühlend“ war? Kai Zwicker sprach gerade in seiner Zusammenfassung als Vorsitzender des Finanz- und Wirtschaftsausschusses davon, dass die „Krise angekommen sei“. Dieser Wahrnehmung kann ich nur beipflichten.

Sehr geehrte Mitglieder der Landschaftsversammlung, Sie kennen das von mir: Ich verliere mich eigentlich nie in historischen Vergleichen und bemühe keine extreme oder dramatisierende Wortwahl. Und das möchte ich auch heute nicht tun, denn jeder von Ihnen wird sich zur aktuellen Situation selbst am besten ein Bild machen können und seine eigene Analyse der Gründe dafür habe. Dafür ist auch die Problemlage zu diffus und vielschichtig, scheinbar einfache Antworten gehen meistens einher mit Ideologie und Populismus – Eigenschaften für die dieser Verband der Inklusion und Vielfalt mitnichten steht. Wenn es also vielfältige Analysen der Herausforderungen und Probleme gibt, dann gibt es wahrscheinlich auch nicht DIE EINE Lösung. Und wenn
die Probleme komplex, vernetzt, weltumspannend und gesamtgesellschaftlich sind, wird kein LWL-Haushalt diese lösen können.

Aber, wir können als LWL dazu beitragen, die Fragestellungen unserer Zeit, die unsere Aufgabenbereiche betreffen, mit Ruhe und Bedacht, mit Sinn und Verstand, zu lösen und ohne aufgeheizten politischen Diskurs. Deswegen – soviel möchte ich vorausschicken – bin ich sehr froh, dass wir als CDU nicht nur mit den Grünen, sondern auch in der Sache mit der SPD – ich verweise auf den Antrag zum Hebesatz – und nach meiner Empfindung auch mit der FDP einen breiten, demokratischen Konsens zu den Eckwerten des Haushaltes gefunden haben. Und ich bin sehr froh, dass wir uns gerade in dieser Zeit dazu entschlossen haben, einen Doppelhaushalt zu verabschieden, da dieser unseren Mitgliedskörperschaften ein gewisses Maß an Verlässlichkeit und Orientierung über die übliche Jährlichkeit
hinaus bietet.

Grundlagen des Haushaltes 2025/2026
Die Grundlagen eines solches Haushaltes werden in der Bewirtschaftung des aktuellen Jahres gelegt. Hier hatten wir der Verwaltung durch die Beschlüsse zum Haushalt 2024 eine große Hypothek mit auf den Weg gegeben. Das Plandefizit von rd. 46,7 Mio. EUR hätte ursprünglich dazu geführt, dass unsere „atmende“ Ausgleichsrücklage auf gut 100 Mio. EUR abgeschmolzen wäre – eine Größe also, die wir zwischen CDU und Grüne bislang als Untergrenze für die Haushaltsgestaltung definiert hatten. Die positiven Entwicklungen im aktuellen Haushaltsjahr ermöglichen uns nunmehr, die politische Gestaltung auf der Grundlage einer höheren Ausgleichsrücklage vorzunehmen. So weist das aktuelle Berichtswesen gegenüber dem Plan eine Verbesserung um knapp 20 Mio. EUR aus.

Insbesondere im Bereich „Teilhabe an Arbeit“, also der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Werkstätten, nehmen wir eine sehr positive Entwicklung wahr. Einen gewissen Teil dieser Verbesserungen dürfen wir sicherlich auch unseren initiierten Konsolidierungsmaßnahmen und einer bedachten politischen Gestaltung im sich zum Ende neigenden laufenden Jahr zuschreiben: So wie ein kommunales Parlament üblicherweise eben arbeitet: realistisch und ehrlich.

Gestaltung des Haushaltes 2025/2026
Für die Haushaltsplanung 2025 / 2026 hatte die Verwaltung des LWL, vertreten durch unseren Landesdirektor Georg Lunemann und die Kämmerin Birgit Neyer, bereits einen gut durchkalkulierten Haushalt im Entwurf vorgelegt. Über Prämissen und Annahmen kann man sicherlich wie in jedem Jahr trefflich streiten. Ob die eingeplante Tarifsteigerung von 3 % richtig oder falsch ist, entzieht der Kenntnis von jedem in dieser Runde – ich halte die Größe aber nicht für unrealistisch; gerade wenn man sich die mit Blick auf die aktuellen Finanzengpässe der öffentlichen Hand und niedrige Inflationsrate fast schon aus der Zeit gefallene Ver.di Forderung anschaut, die bei deutlich über 10% liegt. Die Verhandlungsrunden ab Ende Januar werden zeigen, wo die Reise wirklich hingeht.

Beeindruckend und gleichzeitig etwas verstörend habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Verwaltung bereits im Entwurf von der Möglichkeit eines sogenannten „Globalen Minderaufwandes“ Gebrauch gemacht hat. Warum beeindruckend: Im Haushaltsplan 2024 sah die Verwaltung eine Steigerung der Zahllast zur Landschaftsumlage von 226,1 Mio. EUR für das Jahr 2025 vor. Der bisher vorliegende Entwurf zum Haushaltsplan 2025 geht von einer Steigerung von rd. 240,1 Mio. EUR. Diese fast punktgenaue Steigerung wäre jedoch nicht möglich gewesen, hätte man nicht vom Instrument des globalen Minderaufwands in Höhe von 30 Mio. EUR Gebrauch gemacht. Die Verwaltung hat damit gezeigt, dass sie an einer verlässlichen, kommunal-partnerschaftlichen Kommunikation und Planung interessiert ist und sich an die eigenen Ansätze gebunden fühlt. Für mich als Landrätin einer Mitgliedskörperschaft eine verlässliche Größe! Verstörend, weil es mittlerweile solcher Instrumente bedarf, die nicht mehr viel mit einer redlichen, betriebswirtschaftlich fundierten
Verwaltungsführung zu tun haben dürften. Egal ob es Verlustvorträge oder globale Minderaufwendungen sind: Mit dem 3. NKF- Weiterentwicklungsgesetz wurde die Büchse der Pandora geöffnet, um die Genehmigungsfähigkeit kommunaler Haushalte „um jeden Preis“ zu ermöglichen. Und dies anstatt die eigentlichen Probleme zu lösen:

- eine generell unzureichende kommunale Finanzausstattung im Hinblick auf den Verbundsatz der Gemeindefinanzierung
- eine fehlende Beteiligung staatlicher Instanzen an der Finanzierung der Eingliederungshilfe – hier werden wir als kommunale Familie weiterkämpfen, sowohl bzgl. der Bundesmilliarden, als auch im Hinblick auf den 43a SGB IX
- die immer noch fehlende Altschuldenlösung
- unzureichende staatliche Selbstverpflichtung, die Kostenfolgen von Gesetzen auch auf staatlicher Ebene zu finanzieren (Stichwort: fehlende Konnexität) – und das bei anhaltend extensiver Weiterentwicklung gesetzlicher Standards und Leistungen

Und das eigentlich erschreckende an die Liste ist: Nahezu jeder von uns könnte sie beliebig fortsetzen. Ein ganz schmaler Grat, den wir hier gehen und der wie kaum eine andere Entscheidung in den letzten Jahren die kommunalen Haushalte mitgeprägt hat. Denn mit der Vorbildfunktion des LWL in solchen Fragen war vielerorts klar: Wenn der LWL dieses Instrument aufgreift, dann doch bitteschön der Kreis oder die Stadt ebenfalls. Und überall die gleiche Bewertung: Dieses Instrument ist unweigerlich verbunden mit dem Prinzip Hoffnung. Ich muss an dieser Stelle sicherlich niemandem sagen, dass „Hoffnung“ ein eher schlechtes Managementprinzip ist. Warum gehen wir diesen Weg trotzdem mit? Weil der LWL eben kein hoffnungsloser Fall ist, sondern die Verwaltung auch an dieser Stelle ihre Hausaufgaben gemacht hat oder – besser gesagt – versprochen hat, seine Hausaufgaben zu machen. Denn, auch wenn diesen 30 Mio. EUR in den Jahren 2025 und 2026 keine konkreten Maßnahmen hinterlegt sind, zeigen die Tendenzen der aktuellen Bewirtschaftung und die globalen Steuerungsmaßnahmen aus unserem laufenden Konsolidierungsprogramm, dass eine Größe von bis zu 30 Mio. EUR realistisch sein kann, falls auf dem Weg zum Ziel nicht allzu viele unvorhersehbare Hürden lauern. Und an dieser Stelle ein Appell an uns selbst: Das nicht permanent neue Hürden hinzukommen, haben wir auch durch die Gestaltung unserer Verbandspolitik in der Hand. Für den Haushalt 2025 und 2026 haben wir an einigen Stellen – insbesondere auch im Kulturbereich – viel Geld in die Hand genommen.

- Wir haben uns zu einer Übernahme des Besucherbergwerks in Ramsbeck bekannt, wir sind bereit unseren Anteil an STALAG 326 zu tragen, wir übernehmen die Sammlungen Dobergmuseum und Forum
der Völker.
- Wir investieren in den Klimaschutz durch nachhaltige Bauweisen, bauen umfangreiche EMAS-Strukturen auf und zahlen hierzu auch Zuschüsse in den normalerweise sich selbst tragenden PsychiatrieVerbund
- Wir nehmen in den kommenden Jahren enorm viel Geld in die Hand, um die Digitalisierung, aber auch die digitale Sicherheit unserer Verwaltung zu stärken.

Klar muss aber sein: ein permanentes „weiter so“ in diesen schwierigen Zeiten ist faktisch nicht möglich, gleichzeitig müssen die Investitionen auch eine Rendite abwerfen: Digitalisierung zum Selbstzweck oder zum Ausbau neue Angebote kann es nicht geben. Den Beschluss zum Einfahren der Digitalisierungsrendite halte ich daher für zwingend notwendig, sogar längst überfällig und gehe davon aus, dass unsere Dezernentin für IT und Digitalisierung, Birgit Neyer, uns schon bald zu den positiven Entwicklungen entsprechende Ergebnisse vorlegen wird.

Die Beratungen der letzten Wochen haben gezeigt, dass Politik zur Mäßigung in der Lage ist. Ich habe viele konstruktive Diskussionen mit unserem Koalitionspartner geführt, viele in der Sache richtige Anträge sind beschlossen worden.
Mit den grundlegenden Beschlüssen zum Hebesatz reduzieren wir die Steigerung der Zahllast zur Landschaftsumlage um insgesamt rd. 35 Mio. EUR und liegen damit sogar unterhalb der vorhin genannten Ausgangsgröße aus der Mittelfristplanung. Und auch für die Jahre 2026 fortfolgende haben wir ein klares Zeichen gesetzt. In Summe konnten wir die Mitgliedskörperschaften des LWL um fast 140 Mio. EUR entlasten. Ein Ergebnis, dass sich durchaus sehen lassen kann. Gleichzeitig haben wir es vermieden, unkalkulierbare Risiken einzugehen, die zu einer Haushaltssicherung oder zu einem Nachtragshaushalt führen könnten. Mit einer verbleibenden Ausgleichsrücklage von etwas über 80 Mio. EUR sehe ich uns zum einen hinreichend abgesichert, selbst Verwerfungen von bis zu 2% bei den anstehenden Tarifverhandlungen ausgleichen zu können. Gleichzeitig sind wir den Forderungen unserer Mitgliedskörperschaften hinsichtlich der Reduzierung der Ausgleichsrücklage auf deutlich unter 100 Mio. EUR entgegengekommen. Wir geben der 16. Landschaftsversammlung im Ergebnis trotz einer schwierigen Ausgangssituation einen soliden Haushalt mit, der über gute Rücklagen verfügt und der eine Verwaltungsarbeit ermöglicht, die mit den richtigen Prioritäten große Mehrwerte für uns in Westfalen-Lippe darstellt.

Im Moment der Haushaltsverabschiedung liegt natürlich eine ausführliche politische Bewertung von Hebesätzen, Umlagen und Belastungen nahe. Ich möchte an dieser Stelle aber auch einmal kurz auf das eingehen, was mit dem Geld passiert, denn davon habe ich mir seit 2004 einen sehr intensiven Eindruck machen dürfen. Hinter den über 4,6 Mrd. EUR in 2025 stecken nämlich nicht nur „Belastungen“. Es sind keine „Kostentreiber“, Positionen, die man per se streichen oder konsolidieren kann. Wir bieten jedes Jahr für rd. 2 Mio. Menschen Kulturgenuss auf hohem Niveau – selbst in Regionen, die normalerweise nicht das Privileg einer guten kulturellen Infrastruktur zu haben, zu Preisen, die sich wirklich jeder leisten kann, wenn er denn will. Und ich darf daran erinnern, dass wir hier zum Großteil über Menschen mit Behinderungen sprechen:

- Kindern, denen wir eine gleichberechtigte Teilhabe in inklusiven Kindertageseinrichtungen ermöglichen,
- Schülerinnen und Schüler, die Dank uns trotz schwerster
Behinderungen Lesen und Schreiben lernen,
- Erwachsenen, mit denen wir berufliche Perspektiven entwickeln
- Wohnungslosen Frauen, denen wir über Projekte wie „Housing First“ ein Obdach bieten.

Lassen Sie uns das bei all den geführten und noch zu führenden Diskussionen niemals vergessen.

Lassen sie uns unsere Politik gemeinsam an Werten ausrichten, die unsere Gesellschaft in der Vergangenheit stark gemacht und ausgezeichnet haben.

Gerade in der jetzigen Zeit.

Lassen sie uns bei allen Diskussionen über Zahlen eines nicht vergessen: Es geht um Menschen!

Wenn ich in Ihre Gesicht schaue, bin ich davon überzeugt, dass uns dieser schwierige Spagat gelingen kann.

Vielen Dank!